Neben der stetig ansteigenden Zahl der Krebserkrankungen entwickelt sich zum einen die schulmedizinische Behandlung weiter, zum anderen zeigt sich auch, wie wichtig die komplementäre Ernährungs- und Bewegungstherapie ist. Grund hierfür ist, dass ein körperlicher Abbau während der Therapie verstärkt zu Nebenwirkungen führen kann oder auch die Behandlung nur in abgeschwächter Form durchgeführt werden muss, da der Körper bereits zu schwach ist. All das hat wiederum einen Einfluss auf das Überleben.
Im Jahr 2018 erkrankten etwa 498.000 Menschen in Deutschland neu an Krebs. Das zeigen die Zahlen der deutschen Krebsregister. Die International Agency for Research on Cancer schätzt die Zahl der Krebsneuerkrankungen für das Jahr 2020 auf weltweit rund 19,3 Millionen. Die Zahl der Krebstodesfälle belief sich im gleichen Jahr auf knapp 10 Millionen – Tendenz steigend. Laut Prognose könnte sich die Zahl der Krebsneuerkrankungen bis zum Jahr 2040 auf rund 30,2 Millionen erhöhen (Statista, 2022).
Neben der sich stetig verbessernden und gezielteren Therapie haben sich auch die komplementären Maßnahmen angepasst beziehungsweise den Bereich körperliche Aktivität in den letzten Jahren komplett auf den Kopf gestellt. Bis Ende der 1990er-Jahre galten Ruhe und körperliche Schonung als Standardempfehlung für onkologische Patienten. Doch dies führt zu einem Abbau des aeroben Systems sowie der Muskulatur. Dadurch fällt der Alltag schwerer, man ist schneller müde, ruht sich weiter aus und baut in der Folge weiter ab.
Aufgrund der Tumorerkrankungen als solches sowie im Rahmen der Therapie manifestieren sich häufig Nebenwirkungen, wie beispielsweise eine sog. Fatigue (tumorassoziierte Müdigkeit), eine Kachexie (starker körperlicher Abbau) sowie eine Mangelernährung, Übelkeit, eine Anämie oder auch eine therapiebedingte Polyneuropathie (Sensibilitätsstörung durch die toxische Wirkung der Medikamente, welche sich hauptsächlich in Füßen und Händen bemerkbar macht).
Aufgrund der therapiebedingten Nebenwirkungen sowie der Tumorerkrankung entwickeln sich oftmals eine körperliche Dekonditionierung, Muskelschwund, Gleichgewichtsstörungen sowie verminderte Kraft.
Zahlreiche Studien zeigen, dass der funktionelle Status, die Ganggeschwindigkeit, die Körperkomposition sowie auch die Kraft Prädiktoren für das Überleben darstellen (Barnes et al., 2022; Hui et al., 2014; Millan-Calenti et al., 2010; Wildes et al. 2013). Eine Verschlechterung in diesen Parametern kann neben den Aspekten der Lebensqualität auch klinisch weitreichende Folgen haben. Die klinische Behandlung wird beeinflusst, sekundäre Nebenwirkungen sowie längere stationäre Behandlungszeiten treten auf und können langfristig sogar zum Tod führen.
Nebenwirkungen durch Tumorerkrankungen und durch die Therapie
Tumorkachexie
Fatigue
Ich befasste mich mit diesem Thema im Rahmen meiner Doktorarbeit mit dem Titel „Funktioneller Status und Alltagsbewältigung bei Patienten mit fortgeschrittenen gastrointestinalen Tumoren im Verlauf einer Chemotherapie“. Dabei konnte ich zeigen, dass ein durchschnittlicher Umfang von zwei Stunden moderater körperlicher Aktivität wöchentlich während einer Tumortherapie sowohl zu einer Steigerung des körperlichen als auch zu einer Verbesserung des funktionellen Status führt. Gleichzeitig verbesserten sich der Ernährungszustand sowie der Appetit dieser Patienten und auch die Alltagsbewältigung. Diese Studie gab zudem erste Hinweise, dass durch eine komplementäre Bewegungstherapie mit moderater körperlicher Aktivität die Toxizität der Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenen gastrointestinalen Tumoren vermindert werden kann. Du willst mehr über die Studie wissen, dann schau sie dir gerne im Detail an:
|
Komplementäre Ernährungs- und Bewegungstherapie in der Praxis
„Alles Leben ist Bewegung, Bewegung ist Leben“ (Leonardo da Vinci, 1508)
Zahlreiche Studien zeigen, dass ein strukturiertes körperliches Training unter Berücksichtigung individuell vorhandener Einschränkungen bei unterschiedlichen Patientenkollektiven während und nach der Tumortherapie ohne Sicherheitsbedenken durchführbar ist.
Durch ausdauerorientierte Bewegung oder kombiniertes Ausdauer- und Krafttraining kann die Lebensqualität gesteigert und eine Reduktion der Fatigue-Symptomatik erreicht werden (Ferrer et al., 2011; Mishra, Scherer, Geigle et al .; Mishra, Scherer, Snyder et al., 2012). Dies wird durch einen positiven Einfluss körperlicher Aktivität auf die Ausdauerleistungsfähigkeit begleitet (Fong et al., 2012; Jones et al., 2011; Speck et al., 2010).
Weitere positive Auswirkungen körperlichen Trainings beziehen sich auf Muskelkraft, Körperkomposition und Gehdistanz (Fong et al., 2012; Jones et al., 2012; Schmitz et al., 2010) sowie therapieinduzierte Spätfolgen – wie z. B. Risikofaktoren für kardiovaskuläre Komorbiditäten – und verschiedene Immunparameter (Kruijsen-Jaarsma et al., 2013; Scott et al., 2013).
Die zusammenführende Analyse dieser Aspekte verdeutlicht, dass körperliches Training ein breites und positives Wirksamkeitsspektrum aufweist. Dies gilt insbesondere in der Beeinflussung erkrankungs- und therapieassoziierter Symptomatiken und Folgen.