Seelische Belastungen und Stress verursachen eine oft unbewusste Anspannung unserer Muskulatur. Von dieser Beobachtung ausgehend entwickelte der amerikanische Arzt Edmund Jacobsen die progressive Muskelentspannung. Bei diesem Entspannungsverfahren kann das Wechselspiel von bewusstem An- und Entspannen der Muskeln einen positiven Einfluss auf die Psyche haben.
Progressive Muskelentspannung eine Einführung
Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen funktioniert, indem du nacheinander 16 Muskelgruppen an- und entspannst: von Kopf bis Fuß, von den Gesichtsmuskeln über die Nacken- und Schultermuskulatur bis hin zu den Muskeln in den Unterschenkeln und Füßen. Dabei ist besonders wichtig, dass du dich auf die jeweilige Muskelgruppe konzentrierst und diese für 5 bis 10 Sekunden stark anspannst. Dann entspanne die Muskelgruppe und konzentriere dabei deine Wahrnehmung auf die jeweilige Muskelgruppe, ehe du die nächste Muskelgruppe anspannst.
Während der Anspannung werden die Muskeln vermehrt durchblutet. In der Entspannungsphase macht sich diese starke Durchblutung bemerkbar: Du fühlst eine Wärme, die die Muskeln auf angenehme Weise durchströmt und muskuläre Verspannungen löst. Durch das bewusste Erleben wirkt sich die Entspannung auch psychisch aus. Bewährt hat sich die Progressive Muskelentspannung unter anderem zur Linderung von Schlafstörungen, Erschöpfungs- und Stresszuständen.
Eine Übung für Anfänger
Am leichtesten fällt es Anfängern erfahrungsgemäß, die Muskeln der Hände und Unterarme zu entspannen. Leg dich bequem auf den Rücken, die Arme liegen locker ausgestreckt neben deinem Körper. Schließe die Augen und atme tief durch. Balle nun eine Hand zur Faust, bis du deine Muskeln deutlich spürst. Spanne die Muskeln jedoch nicht zu kräftig an, sonst ist es nur schwer möglich, zu entspannen. Nach 5 bis 10 Sekunden öffnest du die Hand wieder, ohne jedoch die Finger zu strecken. Konzentriere dich ganz auf die Wärme, die deine Hand durchströmt, und auf den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung, den du fühlst. Nach einer halben Minute wiederholst du die Übung noch einmal. Nach einer Pause von etwa 40 Sekunden – die Augen sind weiterhin geschlossen, du atmest tief und ruhig – wechsele zur anderen Hand.
Der komplette Ablauf
Am besten legst du dich für die Übung auf einer festen Unterlage auf den Rücken. Bitte atme auch während der Anspannungsphasen. Gehe in dieser Reihenfolge vor (jeweils anspannen, halten, entspannen):
- Die am meisten benutzte (dominante) Hand und den Unterarm (bei Rechtshändern die rechte Hand)
- Dominanter Oberarm
- Nichtdominante Hand mit nichtdominantem Unterarm (bei Rechtshändern die linke Hand)
- Nichtdominanter Oberarm
- Stirn
- Obere Wangenpartie und Nase
- Untere Wangenpartie und Kiefer
- Nacken und Hals
- Brust, Schulter und obere Rückenpartie
- Bauchmuskulatur
- Dominanter Oberschenkel
- Dominanter Unterschenkel
- Dominanter Fuß
- Nichtdominanter Oberschenkel
- Nichtdominanter Unterschenkel
- Nichtdominanter Fuß
Entspannung braucht seine Zeit
Bist du gerade erst im Begriff, die Technik der Progressiven Muskelentspannung zu erlernen? Dann rechne damit, dass du für die tiefe Entspannung deines gesamten Körpers mindestens eine halbe Stunde benötigen wirst. So lange dauert es, bis du jede der 16 Muskelgruppen durch spezielle Übungen entspannt hast. Wenn du die Progressive Muskelentspannung beherrscht, kannst du die Übungen für manche Muskelgruppen zusammenfassen und so zum Beispiel Hände, Unterarme und Oberarme gleichzeitig entspannen anstatt nacheinander. Die Zeit, die du zur Entspannung benötigen, kannst du auf diese Weise erheblich verkürzen, sofern du das wünscht.
Am gründlichsten erlernst du die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen in speziellen Kursen, wie sie z. B. in manchen Fitness-Studios oder von Krankenkassen angeboten werden. Es gibt auch Videokassetten oder CDs zu diesem Thema.
In jeder Situation entspannen
Achte ganz bewusst darauf, wie sich deine Muskeln im angespannten und im entspannten Zustand anfühlen, wenn du die Übungen durchführst. Die Fähigkeit, beide Zustände unterscheiden zu können, macht dich sensibel dafür, Verspannungen bereits im Keim zu erkennen. Du kannst dann früh gegensteuern, indem du aktive Entspannung herbeiführst. Gewöhne dir an, auf Anspannung direkt mit Entspannung zu reagieren. Dadurch kannst du selbst in Stresssituationen die Ruhe bewahren und reagierst ganz allgemein gelassener auf Ärger, Aufregung oder Angst. Bis du so weit bist, bedarf es natürlich einiger Übung. Setze dich nicht unter Druck, wenn du nicht immer die gewünschte Entspannung spürst!